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Titel
Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum. Mit einer Einführung in das Gesamtwerk von Hugo Stehkämper


Autor(en)
Eck, Werner
Reihe
Geschichte der Stadt Köln 1
Erschienen
Anzahl Seiten
XLVI, 862 S.
Preis
€ 75,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Mit einem auch äußerlich beeindruckenden Buch über Köln im Altertum eröffnet Werner Eck die auf 13 Bände angelegte Geschichte der Stadt, die unter der Herausgeberschaft des früheren Kölner Stadtarchivleiters Hugo Stehkämper in nächster Zeit erscheinen soll. Die Voraussetzungen für eine Geschichte Kölns in römischer Zeit unterscheiden sich methodisch und inhaltlich in mancher Hinsicht von der Behandlung späterer Zeitabschnitte. Darauf weist bereits der Untertitel hin. Die Einbindung der Stadt als kommunaler und regionaler Verwaltungseinheit in das Reichsganze, ihre spezifische Rolle im Nordwesten an der Grenze des imperium Romanum, ihre Beziehungen zum gallischen Hinterland, die Funktion als Zentrum - wie Lyon für Gallien - für das gesamte unterworfene Germanien, nach dem Verzicht auf den Raum zwischen Rhein und Elbe als Sitz des niedergermanischen Militärkommandanten und schließlich seit Domitian als Hauptstadt der Provinz Germania inferior (in der Spätantike Germania II) erfordern ganz grundsätzlich eine enge Verzahnung von Reichs- und Stadtgeschichte. Nicht nur der Quellenlage, auch der Konstruktion der römischen Selbstverwaltungseinheiten im gallisch-germanischen Raum geschuldet ist die über den Vorort Köln hinausreichende Einbeziehung des Gesamtgebietes der civitas Ubiorum in die Geschichte dieser Stadt im Altertum.

Den sachlichen Gründen für eine Einbindung der Kölner Stadtgeschichte zu römischer Zeit in die großräumigeren Strukturen bis hin zum Reichsganzen entspricht in gewisser Hinsicht die - mangelnde - Verfügbarkeit einschlägiger Quellen. Zwar sind die in Frage kommenden literarischen Äußerungen für Köln keineswegs so mager, dass die Rekonstruktion der Stadtgeschichte in der Antike allein in die Zuständigkeit der Provinzialarchäologie fallen könnte, wie es etwa für das Legionslager, die canabae und den vicus von Bonn im Süden der civitas Ubiorum zutrifft 1, aber die Notwendigkeit der Verknüpfung von Stadt- und Reichsgeschichte führt Eck im Zusammenhang mit der Quellenlage methodisch in "konstruktiver Imagination" (S. 2) oder mit "allgemeinen Überlegungen historischer Plausibilität" (S. 156) dazu, "die Wirkungen der Reichspolitik auf die Stadt tastend zu beschreiben" (S. 516). Damit macht er aus der Not eine Tugend, zu der er als Spezialist insbesondere für die Verwaltung des Römischen Reiches der Kaiserzeit aufgrund jahrzehntelanger epigrafischer und prosopografischer Forschungen beste Voraussetzungen mitbringt und die reichen Erkenntnisse zur Geschichte der Stadt im Altertum ermöglicht. Mit Hilfe dieser Verfahrensweise zieht Eck für die Geschichte Kölns die Entwicklung anderer Städte im Römischen Reich vergleichend heran (wie etwa für die Rechtsgrundlagen des Status der colonia), stellt die Wechselwirkung von Reichs- und Stadtereignissen (zum Beispiel anhand der letztlich gescheiterten Expansion des römischen Provinzialgebiets bis zur Elbe) dar und rekonstruiert sie gegebenenfalls anhand vergleichbarer Konstellationen anderwärts, wenn die Quellenlage zu Köln der Ergänzung bedarf, vermittelt ferner eine Vorstellung über die Auswirkung von Entwicklungen im Reich auf die Stadt, auch wenn die Quellen zu Details über Köln schweigen. Nur so kann Eck die Stadtgeschichte in ihrer Dynamik und Entwicklung von der linksrheinischen Ansiedlung der Ubier durch Agrippa 20/19 v.Chr. bis zur endgültigen Übernahme Kölns durch die Franken im 5. Jahrhundert erstehen lassen, ohne etwa vor der Lücke in der literarischen Überlieferung zu Köln für den Zeitraum von 98 bis 254 n. Chr. ganz kapitulieren zu müssen.

Die Geschichte Kölns in römischer Zeit breitet Eck auf rund 700 Textseiten aus. Nach Klärung der naturräumlichen Voraussetzungen verfolgt Eck in einem ersten im wesentlichen chronologischen Teil die Geschichte Kölns über gut eineinhalb Jahrhunderte von den Ursprüngen mit den Kontakten Caesars zu den Ubiern bis zum Aufenthalt Traians in Köln zu Beginn seiner Kaiserherrschaft. Dieser Teil enthält spannend zu lesende Einzelheiten über die linksrheinische Ansiedlung der Ubier durch Agrippa mit neuesten, teilweise noch nicht publizierten Forschungsergebnissen von Johannes Heinrichs, über die augusteische Germanienpolitik und die der Ubierstadt in diesem Rahmen zugedachte Rolle, die Gründung der colonia und die Folgen für die Bevölkerungszusammensetzung, über die Stadt in den Bürgerkriegsjahren 68-70 n.Chr. und ihre Entwicklung unter den flavischen Kaisern. Es folgt ein nicht ganz so flüssig zu lesender systematischer Teil, der Bevölkerung und Siedlungswesen auf dem gesamten Gebiet der alten civitas Ubiorum, die in Köln konzentrierte Verwaltung der Provinz und die der städtischen Gemeinde, die Bebauung der Stadt, die Wirtschaft der Kölner Region und das religiöse Leben vorstellt - Sachaspekte, die im wesentlichen Zustände der für die Provinzen ruhigen und günstigen Entwicklung des 2. Jahrhunderts widerspiegeln. Danach nimmt Eck den chronologischen Faden wieder auf und führt den Leser zügig in die Krisenzeit des 3. Jahrhunderts, die für Köln als Metropole des Gallischen Sonderreichs in den Jahren 260-274 kulminiert. Die Zeit der Spätantike, anfangs gekennzeichnet von Konsolidierungsbemühungen mit Auswirkungen auch auf Städte in Grenzprovinzen wie Köln, ist aufs Ganze gesehen eine Zeit der Destabilisierung und zuletzt der Auflösung römisch geprägter Strukturen, in denen die Franken sich etablieren.

Auf die chronologische Darstellung entfallen etwa drei Fünftel, auf systematische Aspekte zwei Fünftel des Werkes. Dabei stellt Eck heraus, wie sehr er auch von einschlägigen Forschungen etwa seiner Schüler Rudolf Haensch zur Provinzverwaltung, Peter Rothenhöfer zur Wirtschaft des Kölner Raums in der Antike und namentlich Johannes Heinrichs zur Geschichte der Ubier anhand numismatischer Untersuchungen profitiert.2 Das Buch ist eine populärwissenschaftliche Publikation, die sich über die Fachwelt hinaus an einen breiteren Interessentenkreis richtet. Die Kapitel sind durch Zwischenüberschriften gegliedert und durch - teilweise zu kleine - Abbildungen aufgelockert; sie bilden separat lesbare abgeschlossene Einheiten, für die gelegentlich mit Wiederholungen und oft mit Querverweisen gearbeitet wird. Der Darstellungsduktus ist von ruhiger Ausführlichkeit geprägt; Eck leuchtet seine Gegenstände gründlich aus und erklärt dem Leser auch komplexe Sachverhalte genau, so dass man seine Schlussfolgerungen aus Quellenangaben und Überlieferungslücken nachzuvollziehen vermag. Manchmal legt er sich auf bestimmte Interpretationen fest, ohne alternative Deutungen anzusprechen. Gegenüber der Ansicht, Kaiser Konstantin habe sich bereits im Zusammenhang mit der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahre 312 zum überzeugten Christen gewandelt, steht eine Anschauung, die in seiner Wende zum Christentum einen wesentlich länger andauernden Prozess sieht.3 Diese Ansicht blendet Eck aus; die Berufung des Kölner Bischofs Maternus in die Bischofsdelegationen der Synoden von Rom und Arles (313 und 314) zur Schlichtung des Donatistenstreits reicht ihm als Argument, Konstantin habe wohl unter dem Einfluss des Maternus in Köln eine prochristliche, 312 zur Wende führende Einstellung angenommen. Eine Interpretation wie diese mag zwar zu verantworten sein, wirkt aber fast so, als sei sie mehr dem Sujet des Buches als der Sachlage geschuldet. Dass es methodisch auch andere Möglichkeiten gibt, zeigt die eingehende, auch die Alternative 38/37 v.Chr. nicht überspielende Argumentation für die Jahre 20/19 v.Chr. als Zeitraum für die Umsiedlung der Ubier auf die linke Rheinseite.

Angereichert ist das Buch mit einem prosopografischen Anhang, einem Glossar der wichtigsten Fachausdrücke, bibliografischen Angaben, den Anmerkungen zum Text und Indices. Das Werk ist nach den alten Regeln für die deutsche Rechtschreibung verfasst, so dass die sich hin und wieder einschleichende Getrenntschreibung zusammengesetzter Verben um so mehr auffällt - aber das sind wirklich Marginalien, die den Wert des nach außen und innen überzeugend gestalteten Buches nicht mindern können; es hinterlässt nicht nur bei bibliophil orientierten Lesern Zufriedenheit.

Anmerkungen:
1 Vgl. van Rey, Manfred (Hg.), Geschichte der Stadt Bonn, Bd. 1: Bonn von der Vorgeschichte bis zum Ende der Römerzeit, Bonn 2001.
2 Vgl. Haensch, Rudolf, Capita provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der römischen Kaiserzeit, Mainz 1997; Rothenhöfer, Peter, Die Wirtschaftsstruktur im südlichen Niedergermanien (Publikation in Vorbereitung); Heinrichs, Johannes, Civitas Ubiorum. Historische und numismatische Studien zur Geschichte der Ubier und ihres Gebiets (Publikation in Vorbereitung) sowie zahlreiche Aufsätze desselben Verfassers.
3 Weitere Beispiele: die Funktion der Germania des Tacitus (vgl. S. 237); die Verwandtschaft des Magnus Maximus mit Theodosius I. (vgl. S. 672).

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